Kaffeeland Laos: Hier kommt unser Jhai Espresso her
Ein Beitrag von Stephan Eicke in der Kategorie #Kaffeewissen vom 14. Februar 2022
Laos ist als Herkunftsland für Kaffee sträflich unterschätzt. Das scheint sich zu wandeln, wie unser Jhai Espresso beweist: 2018 in unser Portfolio aufgenommen, ist er so populär, dass er aufgrund hoher Nachfrage bislang viermal ein Comeback gefeiert hat. Werfen wir also einen Blick auf Laos als Ursprungsland.
Überblick
Die Geschichte des Landes ist eine kurze in Bezug auf seinen Kaffeeanbau, denn erst Anfang des 20. Jahrhunderts begannen Bäuerinnen und Bauern mit der Zucht, Ernte und Verarbeitung der Pflanze. Franzosen hatten Kaffee in das Land gebracht und setzten große Hoffnungen in die Kirsche. Warum Franzosen? Laos war französische Kolonie.
Stark verkürzte Geschichtsstunde: Frankreich begann als Kolonialmacht im 18. Jahrhundert Einfluss auszuüben. Der Mekong wurde zum Grenzfluss, nachdem die Franzosen 1893 die linke Uferseite erobert hatten. Die Region westlich des Mekong gehört heute zu Thailand. Der französische Teil wurde hingegen in die Kolonie Französisch-Indochina eingegliedert. Doch es regte sich immer stärkerer Widerstand gegen die Kolonialmacht Frankreich. Dieses Ressentiment mündete unter anderem in der Gründung der Kommunistischen Partei 1930. Es sollte bis 1954 dauern (im Zweiten Weltkrieg war Laos von der japanischen Armee besetzt), bis Frankreich im Rahmen der Genfer Konferenz die Unabhängigkeit von Laos anerkannte.
95 % des Kaffees wird im Bolaven Plateau angebaut, im Süden des Landes. Arabica macht 80 % der Ernte aus, Robusta lediglich 20 %. Geerntet wird Arabica von Oktober bis Januar, Robusta von Januar bis April. 2021 exportierte Laos knapp 30.000 Tonnen Kaffee, für 2022 werden 20.000 Tonnen erwartet. Im Vergleich: Brasilien exportierte 2021 1,7 Millionen Tonnen Kaffee (als Weltmeister in dieser Disziplin), ist aber um ein Vielfaches größer. Laos misst 236,800 qkm, Brasilien 8,5 Millionen qkm. Der Kaffeeexport ist ein essentieller Bestandteil der laotischen Wirtschaft. 2017 machte Kaffee 14 % der Exporte aller agrikulturellen Produkte aus. Vietnam importiert 50 % aller Arabica-Bohnen, die in Laos geerntet werden.
Als Grund für den bemerkenswerten Exporteinbruch werden die Preise auf dem Kaffeemarkt genannt, Klimawandel und Krankheiten, die die Pflanzen stark geschädigt haben: Farmer:innen in Laos wenden sich Produkten zu, die profitabler sind als Kaffee. Seit mehreren Jahren werden mit der Unterstützung internationaler NGOs Anstrengungen unternommen, nachhaltigen Kaffeeanbau in Laos zu stärken, um den Farmer:innen ein höheres Einkommen zu sichern und sie somit daran zu hindern, die Kaffeeproduktion einzustellen. Die United Nations Conference on Trade and Development hat – wenig überraschend – ermittelt, dass organische Bio-Label zu einem Preisanstieg und höherem Einkommen führen würden: Non-organische Bohnen bringen knapp US$480 pro Hektar ein, organische hingegen US$1.200.
Der Weg zum Spezialitätenkaffee
Mehrere Organisationen unterstützten Farmer:innen bei diesem Unterfangen. Die Agence Française de Développement (AFD) ist eine davon. Komplett hat sich Frankreich nicht aus Laos zurückgezogen, wie es scheint: Seit über 20 Jahren unterstützen sie den Kaffeesektor in Laos, um organischen Kaffee anbauen und zertifizieren zu lassen.
Unsere ehemaligen Coffee Circle-Kolleg:innen Isi und Adrian reisten bereits 2015 für ein halbes Jahr nach Laos, um dort für die NGO Jhai Coffee House zu arbeiten, die auf organische Weise in direkter, enger Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinden die laotischen Kaffeefarmer:innen unterstützte und den Spezialitätenmarkt förderte. Das Jhai Coffee House existiert noch immer, ein tatsächliches Kaffeehaus in Paksong, in dem Tourist:innen frisch gerösteten laotischen Kaffee probieren und mehr über die Kooperative erfahren können. Die Gewinne des Cafés werden in den Bau von Trinkwasserbrunnen und Hygienetrainings an den Grundschulen in den Kaffeedörfern reinvestiert. Gleichzeitig ist das Café auch Treffpunkt für die Farmer:innen der Jhai Coffee Farmer’s Cooperative (JCFC). Zur JCFC gehören 64 Kaffeedörfer, die auf dem Bolaven Plateau verstreut sind.
Isi und Adrian besuchten täglich Farmer:innen in ihren Dörfern, um ihnen praktische Tipps an die Hand zu geben, denn Spezialitätenkaffee steckte 2015 noch in seinen Kinderschuhen, war eine Novität in Südostasien. Das Wissen um die Verarbeitung war nicht verbreitet: Kann man Trocknungstische aus gespaltenem Bambus bauen? Wie lagert man den Kaffee im Dorf am besten? Sind ungeflieste Fermentierungstanks auch ok? Warum hat das Parchment eine rötliche Färbung? In acht ausgewählten Kaffeedörfern wurden Fermentierungstanks, Waschkanäle und Trocknungstische aufgebaut. Durch die finanzielle Unterstützung der Vibrant Village Foundation konnten sogar neue Pulper finanziert werden.
Isi und Adrian beobachteten: “Insgesamt ist in Laos die Verarbeitung deutlich dezentraler organisiert als z.B. in Äthiopien. Hier hat fast jede zweite Familie ihre eigene kleine Verarbeitungsstation. Das ist eine große Herausforderung für das Qualitätsmanagement und jede Dorfsituation ist anders. Mit dem Bau der neuen Verarbeitungsstationen wurden drei Qualitätsmanager pro Dorf gewählt. Sie sollten den gesamten Verarbeitungsprozess anleiten. Es folgten etliche Trainings zum Pflücken, Verarbeiten als auch zum Trocknen und Handselektieren der Kaffeekirschen.”
Isi und Adrians Tagebuch aus ihrer Zeit in Laos bietet einen faszinierenden Einblick in die Arbeit einer NGO in Hinblick auf Spezialitätenkaffee. Vier Männer wurden als Vorstand der Kooperative JCFC gewählt, waren zuständig für Finanzen, Lagerhaus, Verkauf und Öffentlichkeitsarbeit. Darüber hinaus gab es in jedem Ort einen Dorfchef. In regelmäßigen Kooperativentreffen wurde dann über den Kaffeeverkauf und andere dringliche Themen gemeinsam diskutiert. 2015 entpuppte sich für Isi und Adrian als besonders spannend, wie sie notieren: “Kein Dorfchef hatte einen Überblick über die Finanzen der Kooperative. Zudem zahlte das Management nur nach Gewicht, nicht nach Qualität. Das schürt natürlich viel Misstrauen und Unmut. Deshalb haben sich die Dorfchefs darauf geeinigt, dass sie nach Qualität bezahlt werden wollen. Außerdem wurde beschlossen, dass der gesamte Erlös zu 90 % direkt an die Farmer:innen ausgezahlt wird und die restlichen 10 % der Kooperative zur Verfügung stehen. Über die Verwendung der 10 % sollten dann Management und Dorfchefs zusammen entscheiden. Denn der Strom vom Lagerhaus sowie der Transport der Bohnen mussten bezahlt und finanzielle Rücklagen für Notfälle aufgebaut werden.”
Die Kooperative war damit handlungsfähig und erste Erfolge zeigten sich schnell: Mit Hilfe der NGOs Filanthrope und Good Coffee konnten die Farmer:innen in Laos 2015 einen Einkommensanstieg von 30-64 % im Vergleich zu den Vorjahren erreichen. Die Kurse zu Qualitätskontrolle und nachhaltigem Anbau resultieren in dem Jhai Expresso, einem Spezialitätenkaffee aus Laos, den wir 2018 in unser Portfolio aufgenommen haben als Ergebnis langer und harter Arbeit der Beteiligten vor Ort.
Jhai Espresso
Der Jhai Espresso war nicht nur unser erster Robusta Espresso, sondern auch einer der ersten hochqualitativen Robusta Kaffees, die in Laos angebaut werden. Aufgrund seiner begrenzten Verfügbarkeit können wir ihn nicht ganzjährig anbieten sondern lediglich als Explorer Edition. Schnell zeigte sich, wie beliebt der Jhai bei unseren Kund:innen ist, denn im Februar 2022 feiert er sein drittes Comeback: Angeboten wurde er von März bis Juli 2018, von Januar bis Juli 2019, von Januar bis Juli 2020 und von November 2020 bis März 2021. Die Jing Jhai Coffee Cooperative hatte also vollen Erfolg.
Der Kaffee wächst in Waldgärten an Canephora Pflanzen (umgangssprachlich Robusta genannt), die schon älter als 60 Jahre alt und zum Teil 5 Meter hoch sind und daher ausschließlich von Hand auf einer Leiter gepflückt werden können. Nach dem Pflücken werden die Kaffeekirschen in Wasser gelegt, um die “Floaters” als unreife Kirschen auszusortieren. Anschließend werden die Kirschen entpulpt und die glitschige Zuckerschicht (die Mucilage) wird an den Bohnen bei der Trocknung belassen, so dass die Süße des Fruchtfleisches in die Bohnen einziehen kann und der Kaffee deutlich mehr Süße gewinnt.
Die Jing Jhai Coffee Cooperative produziert allerdings nicht nur Robusta, sondern auch Arabica Kaffee. Auch wenn die größte Menge der Arabica-Bohnen wie eingangs erwähnt nach Vietnam exportiert wird, konnten wir von November 2020 bis Juni 2021 den Jing Jhai Kaffee anbieten, einen honey processed Kaffee, der uns an Macadamianuss erinnert und eine dezente Fruchtnote aufgewiesen hat wie frische Himbeeren im Sommer.
Laos hat zwar eine noch junge Kaffeehistorie, aber bereits einen langen Weg und viel harte Arbeit hinter sich. Spezialitätenkaffees aus der Region sind neu und noch rar, haben aber erheblich dazu beigetragen, dass sich Laos als Ursprungsland einen Namen gemacht hat. Weitere Bemühungen zur Produktion organisch angebauten Kaffees werden weiter vorangetrieben und können diesen guten Ruf festigen.